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Ist Untreue ein Beziehungskiller?

Es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Alles woran ich geglaubt habe, habe ich angezweifelt.

Susanne H.
Ein in der Mitte zerrissenes Papierherz auf einer Schnur

Ist Untreue ein Beziehungskiller?

Bis zu 50% der Beziehungen werden zumindest einmal durch die Untreue eines der Partner auf eine harte Probe gestellt. Für alle eine große Herausforderung, für viele die Chance für einen Neubeginn.

Peters Handy surrt, wie selbstverständlich wirft Susanne einen Blick darauf und sieht Kussmünder und Herzchen aufleuchten. Was dann folgt, erschüttert Susannes Vertrauen in die Beziehung massiv: Direkt konfrontiert gesteht Peter in einem langen Gespräch und unter Tränen ein, ein Verhältnis mit einer ehemaligen Schulkollegin zu haben.

couple sitting on bench under tree grayscale photography

Kommt Untreue in jeder Beziehung vor?

Die Situation von Peter und Susanne ist nicht einzigartig. Untreue ist ein recht häufiges Phänomen. Je nach Studie sind zwischen 15% und 50% aller in einer Beziehung Lebenden zumindest schon einmal fremdgegangen – unabhängig ob Mann oder Frau. Somit kommt Untreue also nicht in jeder Beziehung, aber doch recht häufig vor.

Wo beginnt Untreue?

Eine wesentliche Erklärung für die großen Abweichungen in den Studien liegt augenscheinlich in der Definition von Untreue. Von vielen (aber eben nicht von allen) wird das Denken an jemand anderen oder Flirten nicht als Untreue angesehen. Der Austausch von privaten und intimen Details, Fremdküssen und Sex ist jedoch für die meisten schon jenseits der Grenze.

Am Anfang einer Beziehung sprechen viele Paare offen darüber, wo ihre individuelle „Treuegrenze“ liegt. So entwickeln sie ein gemeinsames Verständnis, das zu diesem Zeitpunkt für ihre Beziehung gilt. Wie bei vielen Lebensthemen kann es auch dabei (über die Jahre) eine Veränderung geben. Es kann also nicht schaden ab und zu gemeinsam mit dem Partner die Treuevorstellungen (erneut und auch in den guten Zeiten der Beziehung) zu besprechen.

ein alter Kalender

Wann kommt Untreue vor?

Betrachtet man den zeitlichen Ablauf einer Beziehung so steigt das Risiko für einen Seitensprung ab dem 3. Beziehungsjahr und sinkt nach dem 10. Jahr wieder ab. Unabhängig von der Länge der Beziehung gibt es Untersuchungen, nach denen Männer während der Schwangerschaft der Frau und Frauen während des Eisprungs anfälliger für Untreue sind. Und darüber hinaus scheint der Mai der Monat mit höherer Seitensprungwahrscheinlichkeit zu sein.

Absolute Sicherheit hat man aber in einer Beziehung nie. Wenn man sich auf eine Beziehung einlässt gibt es unterschiedliche Gefahren: einer der beiden kann einen Unfall haben, man wird über kurz oder lang mit dem Tod konfrontiert und man setzt sich eben auch dem Risiko der Untreue aus.

Dieses Risiko lässt sich eben nicht vollständig auslöschen. Allerdings kann man als Paar vorsorgen und sich der Frage stellen: „Was können wir tun, um einander treu bleiben zu wollen?“

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Wie können wir vorbeugen?

Einer Studie der Uni Braunschweig folgend gibt es einige Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Außenbeziehung erhöhen. So wirken sich partnerschaftliche und sexuelle Zufriedenheit, kontextuelle Faktoren (wenige/keine berufliche Reisen, wenige (subjektiv gesehene) Gelegenheiten) sowie Religiosität positiv auf das Treueverhalten aus.

Nicht alle dieser Faktoren sind in einer Beziehung immer direkt beeinflussbar. In unsere Praxis begegnen uns jedoch häufig Fälle in denen die „Funktionsgemeinschaft“ – Aufzucht der Kinder, Abstimmung von Zuständigkeiten, wirtschaftliches Zusammenleben – als „sehr gut“ beschrieben werden. Allerdings kommen oft die emotionalen Komponenten – Austausch über Gefühle („Wie geht es mir“) und gemeinsames Entwickeln von Träumen/Zukunftsvisionen („Was wünsche ich mir“) zu kurz. Dafür Zeit als Paar zu schaffen und dabei auch zuzulassen, dass man einfach nur „über Gott und die Welt plaudert“, scheint ein wesentlicher Hebel zu einer erfüllenden Partnerschaft zu sein.

Viele Paare beschreiben zu dem, dass vor dem Seitensprung eine körperliche Entfremdung stattgefunden hat. Sie hatten weniger Sex, haben generell weniger Berührungen und Küsse ausgetauscht und sich und den anderen als weniger attraktiv empfunden. Gibt es auch also hier eine Vorbeugemöglichkeit?

Aus neurobiologischer Sicht senkt häufiger erfüllender Sex mit dem eigenen Partner das Fremdgehrisiko und ist somit sicherlich ein gutes Mittel. Viele Paare beschreiben in der Beratung aber, dass eben wegen des mangelnden emotionales Austauschs kein Sex mehr möglich war. Oder umgekehrt mangels Sex und der damit verbundenen Vertraulichkeit kein Raum für emotionalen Austausch aufgegangen ist.

Was aber, wenn die Vorsorge nicht geholfen hat und eine Außenbeziehung das Gemeinsame bedroht?

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Wie soll ich als Betrogener oder Betrogene reagieren?

Für die meisten Paare, bricht mit dem Auffliegen oder Eingestehen einer Außenbeziehung eine Welt zusammen. Der oder die Betrogene schildert den Moment der Erkenntnis oft als traumatisch und von seelischen und körperlichen Krisen begleitet. Auch manche der Betrügenden beschreiben diese Zustände, oft in Kombination mit einer Erleichterung, die durch den Wegfall des Versteckspiels erklärt werden kann. Am massivsten sind meist der Vertrauensverlust und die Kränkung und das damit aufkommende Misstrauen lässt auch (oft zu Unrecht) das infrage stellen, was vorher gut war und auch danach noch gut ist.

Als erste Schritte empfehlen wir – so weit möglich – innere Ruhe zu schaffen. Schreiben hilft! Das Niederschreiben der eigenen Gefühle in ihrer ungeschminkten Wahrheit ermöglicht innere Ordnung. Damit ist es eine gute Vorbereitung um im Weiteren die Gefühle, die am Erlebten hängen, dem Partner mitzuteilen. Wir denken, dass soziale Netzwerke wie Freundschaften, Herkunftsfamilie und Arbeitskollegen wichtig sind. Im Moment des Schocks der erlittenen Kränkung empfiehlt es sich aber aus unserer Erfahrung nicht die engsten Verbündeten sofort einzuweihen, denn die stiften eher Unruhe, als zur Ruhe beizutragen.

Aus unserer Erfahrung beginnt die Partnerschaftskrise nicht mit dem Seitensprung, sondern dieser ist ein (weiteres) Symptom für Probleme im gemeinsamen Leben. Die Erschütterung, die die Erkenntnis über das Fremdgehen des Partners auslöst, führt oft dazu, dass Themen benannt werden können, die jedem der Partner Schwierigkeiten bereiten. Wenn es dabei gelingt wirklich miteinander zu reden und gemeinsam radikal ehrlich und aufrichtig über die Beziehung und die jeweiligen Emotionen zu sprechen, dann kann die Offenlegung einer Affäre ein Wendepunkt hin zu einer besseren Partnerschaft sein.

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Brauchen wir dafür Paarberatung?

Wir denken, dass jeder Mensch und damit auch jedes Paar eine unerschütterliche Problemlösungskompetenz in sich haben. Das heißt auch, dass sie sicherlich auch ohne Paarberatung (so oder so) durch diese Krise kommen werden. Die professionelle Unterstützung kann aber hilfreich deeskalierend sein, da beide Teile mit Ihren Bedürfnissen ausreichend Raum erhalten. Paarberatung kann dabei auch – einem Katalysator ähnlich – den Prozess der Klärung, der Aufarbeitung der erlittenen Kränkungen und des Wiederaufbaus des Vertrauens beschleunigen.

Oft reichen für die ersten Schritte schon wenige Stunden gemeinsam mit einem Berater/einer Beraterin. Danach haben beide Partner eine Vorstellung davon haben, wie ein Neubeginn ablaufen kann. Das Wiederzusammenfinden braucht aber einige Zeit und die Bereitschaft beider sich neu auf den anderen einzulassen.

Die ersten 6 Monate nach der Aufdeckung sind ein entscheidendes Zeitfenster – in dieser Zeit ist viel erreichbar, mit oder ohne Paarberatung.

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Einmal untreu – immer untreu?

Die Statistik spricht teilweise dafür, dass es auch bei der Untreue Wiederholungstäter gibt. Auch hier werden sehr unterschiedliche Prozentwerte angegeben. Aus unserer Sicht ist die dahinterliegende Frage aber eine wesentlich weiter gefasste: Ist Veränderung möglich?

Aus logotherapeutischer Sicht gibt es als Antwort ein ganz klares JA! Die geistige Person als immer gesunder Teil der menschlichen Person kann anders. Anders zum Bisher, anders trotz eines vermeintlichen biologischen Triebes und anders, weil Wertentscheidungen (auf die Frage „Was ist mir wichtig?“) fallen.

Veränderung ist also möglich und nicht jeder der untreu war, wird es wieder werden. Voraussetzung ist auf Basis der eigenen Wertvorstellungen zu handeln und dafür Verantwortung zu übernehmen. Deshalb sind gemeinsame Treueverständnisse und ein intensiver Austausch darüber, was beiden im Leben und in der gemeinsamen Beziehung wichtig ist, so zentral.

Wie soll ich jemals wieder Vertrauen können?

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, sagt der Volksmund und beschreibt damit einen wesentlichen Knackpunkt im Wiederaufbau von Vertrauen.

Die oben angesprochenen radikale Ehrlichkeit und der echte Wille die Partnerschaft gemeinsam und besser fortzusetzen, sind Voraussetzungen für den Wiederaufbau des Vertrauens. Genauso wichtig erscheinen uns aber Entschuldigen und Versöhnen:

Es braucht die Größe dessen, der verletzt hat, sich zu entschuldigen. Eine Entschuldigung – ohne den Versuch einer Rechtfertigung – kann die erlittenen Kränkungen ertragbar machen. Und als Gegenstück braucht es, vom Gekränkten auch eine “Entschuldung”. Es braucht ein Vergeben des Verhalten des anderen, eine Versöhnung mit der Person und mit der Situation.

Beides macht das Geschehene nicht ungeschehen. In der Kombination Entschuldigen und Versöhnen aber und unter der strikten Bedingung eines klaren Ja zur zukünftigen gemeinsamen Beziehung von beiden, kann man so eine faire Basis für ein zukünftiges gemeinsames Miteinander schaffen, dass nicht permanent von der Vergangenheit bedroht wird.

Damit kann ein Fundament für neues Vertrauen geschaffen werden.

Susanne und Peter

Wie ist es Susanne und Peter ergangen? Die beiden haben sich nach Monaten des gemeinsamen Ringens mit vielen Streits, Vorwürfen und Tränen entschlossen Hilfe in einer Paarberatung zu suchen. Schrittweise haben sie wieder gelernt miteinander zu reden und einander ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Noch ist nicht alles wieder gut und es gibt noch einiges aufzuarbeiten, aber beide wollen ihre Zukunft gemeinsam gestalten.

Wenn Du aktuell betroffen bist, dann findest du hier mehr Hilfe.

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